Wege zur Digitalisierung, Vernetzung mit dem Internet der Dinge und Chancen sowie Risiken im Umgang mit Daten, den „Goldminen der Neuzeit“, diskutierte eine namhaft besetzte Runde IT-Verantwortlicher österreichischer und internationaler Unternehmen im Rahmen des fünften Quality Leadership Circle (QLC) am 31. Mai 2017 in der Landtmann’s Bel-Etage.
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Die Digitalisierung schreitet stetig voran und prägt nicht nur den Alltag der Konsumenten, sondern auch die Geschäftswelt. Dabei spielt das Internet der Dinge (IoT) eine zentrale Rolle. Neue Vernetzungslösungen und Geschäftsmodelle werden auch für viele Unternehmen immer relevanter. Nicht zuletzt im Zusammenspiel mit Big Data Analytics verspricht die Vernetzung von Objekten und Dingen den Unternehmen immense Effizienz- und Produktivitätssteigerungen und neue Umsatzquellen.
Dr. Rainer Kegel, CIO der Wiener Stadtwerke Holding AG, gewährte in einem moderierten Impuls-Talk spannende Einblicke in die strategische Herangehensweise und in aktuellen Vorhaben. Die Themenbereiche IoT und Big Data sind bei den Wiener Stadtwerken konkrete Entwicklungsbereiche. Doch davor speiste Herr Kegel auf Basis seiner bisherigen Erfahrungen drei zentrale Aussagen für eine Diskussion ein, welche jeweils in Kleingruppen zu Beginn der Veranstaltung diskutiert und erarbeitet wurden.
Der erste Teil und Auftakt des Quality Leadership Circles: Diskussion in Kleingruppen zu drei Kernaussagen
1. Aussage bzw. Fragestellung
„Mit Big Data ist es wie mit Sex im Teenager-Alter: Jeder spricht darüber. Keiner weiß wirklich, wie es geht. Alle denken, dass die anderen es tun, also behauptet jeder, dass er es auch tut.“ (Welt.de)
Die konkrete Fragestellung, welche in der ersten Kleingruppe erarbeitet wurde, lautete: Womit konkret beschäftigen Sie sich aktuell im IoT/Big Data Umfeld?
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Die aktuelle Studie „IoT and the Data Analytics Challenge“, welche PAC im Auftrag von HPE und Telefónica umgesetzt hat, zeigt, dass nur etwa zehn Prozent der großen europäischen Unternehmen sich selbst als fortgeschritten bezeichnen, wenn es um die Umsetzung von IoT-Projekten geht. Datenanalysen im Internet der Dinge macht erst jedes dritte Unternehmen. Ein Großteil plant aber Investitionen in neue Analyse-Tools und -Plattformen, mit dem Ziel Ihre IoT-Strategien voranzubringen.
Diese Aussagen bestätigten sich auch bei den Diskutanten der Kleingruppe beim QLC. Manche anwesenden Unternehmen kennen zwar bereits das Thema und wissen, dass sie sich hier in naher Zukunft einer intensiven Auseinandersetzung widmen müssen, haben mit dieser aber noch nicht begonnen.
Andere sind einen Schritt weiter und gerade dabei, eine IoT Strategie zu erarbeiten und mögliche bzw. relevante Use Cases im jeweiligen Unternehmenskontext zu identifizieren. Dabei wird auch analysiert, welchen Einfluss dies auf die organisatorische Einbettung im Unternehmen haben kann. Denn vor allem bei Firmen, die mehrere unabhängige Geschäftsbereiche haben und wo IoT bzw. Big Data als Querschnittsthema meist alle Bereiche gleichermaßen betrifft, möchten Doppelgleisigkeiten vermieden werden.
Ein weiterer Aspekt im Kontext einer IoT/Big Data Strategie ist die Betrachtung der notwendigen Skills und Kompetenzen die benötigt werden, um erfolgreich Projekte umsetzen zu können. Oft sind diese zu Beginn gar nicht klar und treten erst im Zuge erster Umsetzungen zu Tage.
Manche Unternehmen, von denen Vertreter hier waren, sind sogar noch weiter fortgeschritten und bereits bei der Umsetzung von ersten IoT Pilotprojekten bzw. PoC’s (Proof-of-Concept). Zum Beispiel aus dem Bereich Predictive Maintenance, aber auch Smart Meter, Smart Home und der Non-Aviation Bereich von Flughäfen und Anwendungen zur Energieeffizienz-Steuerung wurden diskutiert.
2. Aussage bzw. Fragestellung
„Die Technik is‘ a Hund ODER der Teufel steckt im Detail! Big Data und IoT klingt einfach, ist es aber nicht!“
Die konkrete Fragestellung dazu lautete: Welche Stolpersteine bei IoT/Biga Data Anwendungen kennen Sie bereits?
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Ganz oben auf der Liste der identifizierten Hürden und Stolpersteine standen natürlich die Themen Safety & Security. Hier erkannten die anwesenden Diskutanten einen dringenden Handlungsbedarf bei der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen, nicht nur auf Seite der Hersteller und Industrie, sondern auch auf politischer Ebene. Neben den fehlenden Security Standards wurden auch verlässliche, international anerkannte Standards für die Integration von IoT Lösungen in IT Systemlandschaften diskutiert. Dies treibt aktuell die Aufwände in die Höhe und Unternehmen in Abhängigkeiten zu Herstellen („Vendor Lock-In Effekt“).
Im Big Data Umfeld wurde der Aspekt der notwendigen Datenqualität angesprochen, welche heute ja bereits viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellt und im Kontext von IoT und Big Data eine zusätzliche Dimension erreicht.
Die Veränderungen im IoT/Big Data Umfeld sind jedoch nicht nur technischer Natur. Es gibt auch massive Auswirkungen hinsichtlich Organisation, beispielsweise der Umgang mit Fehlern und Misserfolgen bei Pilotprojekten oder die Fähigkeit der Nutzung agiler Methoden für ein kurze Time-to-Market. Zudem gibt es Ängste bei der Belegschaft hinsichtlich Jobverlust durch Einsatz der neuen Technologien.
Einig waren sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde darüber, dass IoT und Big Data Umsetzungen mit klaren Zielen und primär mit Fokus auf den Nutzen für die jeweiligen Unternehmen und deren Endkunden vorangetrieben werden müssen. Purer Aktionismus kann gefährlich sein, denn beispielsweise kann die Marktmacht diverser IoT/Big Data Plattform Anbieter und deren Interessen von jenen der Endbenutzer abweichen. Ein derartiger Einsatz gehört wohlüberlegt und strategisch nachhaltig betrachtet.
3. Aussage bzw. Fragestellung
„IoT und Big Data sind die Basis, das Rückgrat der Stadt der Zukunft – der Smart City“
Die konkrete Fragestellung, welche in der dritten Kleingruppe erarbeitet wurde, lautete: Was ist Ihre Vision von IoT und welche Rolle spielt dabei Big Data?
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Herr Dr. Kegel, CIO der Wiener Stadtwerke, ist überzeugt: Vor allem im Bereich der Smart City sind IoT und Big Data essentiell und leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung einer Großstadt. Dies einerseits deshalb, da die Wiener Stadtwerke sehr unterschiedliche Geschäftsfelder wie Energieversorgung und den öffentlichen Verkehr vereint, andererseits ist die Millionenmetropole Wien ein Paradies in Sachen Big Data.In der dritten Diskussionsgruppe gaben neben Herrn Kegel auch die anderen Teilnehmer ihre Visionen hinsichtlich IoT und Big Data preis.
Dabei wurden grundsätzlich zwei Perspektiven unterschieden, jene aus Sicht der Konsumenten und Kunden sowie jene der Unternehmen. Für Endbenutzer wird das Internet der Dinge als Enabler für ein Digital Live gesehen. Die Diskutanten sehen für Endbenutzer durch IoT künftig Möglichkeiten zur Erhöhung des Komforts bzw. der Lebensqualität, der Sicherheit, zur Vereinfachung und eines optimierten Einsatzes von Ressourcen. Sei es durch autonomes Fahren, eine Smart Government mit bürgernahen, digitalen Services oder der Einsatz von Bots. Systeme aus intelligent vernetzten realen und virtuellen Objekten werden so zu sich selbst steuernden Ökosystemen, die Menschen nicht nur bei Information und Analyse unterstützen, sondern auch Automation und Steuerung eigenständig übernehmen.
Immer Teil der Diskussion im Endkundenkontext waren die Themen Privacy und Datenschutz. Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO), die den Anwender und den Schutz seiner personenbezogenen Daten europaweit und darüber hinaus in den Mittelpunkt stellt, gibt hier ja klare Vorgaben für die angemessene Handhabung. Was das konkret bedeutet, beschäftigt aktuell ja bereits so gut wie alle Unternehmen.
Die Vernetzung von physischen Objekten mit der virtuellen Welt bringt aber nicht nur den Endkunden in eine neue Zukunft. Dieses globale Netzwerk aus Sensoren, Maschinen und Produkten eröffnet auch Unternehmen ein nie dagewesenes Spektrum und Potential für Big Data Analysen. Bestehende Prozesse werden dadurch optimiert und Kosten reduziert. Einzigartige, neue Werte durch innovative und kunden- orientierte Produkt- und Servicelösungen für digitalisierte Unternehmen werden entstehen. Ein wichtiger Bestandteil wird dabei auch die Kooperationsfähigkeit von Unternehmen sein, denn viele neue Geschäftsmodelle gehen künftig über klassische Unternehmens- bzw. teilweise sogar Branchengrenzen hinweg. Hier sei beispielsweise der Bereich Industrie 4.0 erwähnt, wo aus vielen Produktherstellern gerade Serviceprovider werden.
Was von den diskutierten Visionen Realität wird oder ein Traum bleibt, wird sich zeigen. Einig waren sich alle Teilnehmer, dabei sein muss jeder, denn sonst droht die Gefahr, künftig möglicherweise nicht mehr dabei zu sein.
Der zweite Teil: Moderierte Diskussion mit Dr. Rainer Kegel von der Wiener Stadtwerke Holding AG
Im zweiten Teil der Veranstaltung durfte ich im Gespräch mit Herrn Dr. Kegel die bisherigen Erfahrungen aus mehreren Pilotprojekten bei den Wiener Stadtwerken erörtern. Herr Kegel sieht enormes Potential, da die Stadt Wien ihre Kunden aus unterschiedlichen Perspektiven sehen kann, vereint sie doch Transport undEnergie über Netze bis hin zur Bestattung und Friedhöfe. „IoT kann unsere Geschäftsmodelle erweitern und neue Produkte hervorbringen. Gleichzeitig bedeutet es Datengenerierung“ so Kegel.
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Herr Kegel berichtete von konkreten Projekten, die sich gerade in einer Pilotierung befinden: Beispielsweise die Überwachung des Leitungsnetzes in ganz Wien, wo etwa mittels Predictive Maintenance Schäden vorhergesagt werden, bevor sie auftreten. Oder den Niederflurstraßenbahnen ULF der Wiener Linien, wo mittels Mustererkennung frühzeitig Defekte erkannt werden sollen, damit die Straßenbahn möglichste keinen unvorhersehbaren Ausfall hat.
Die größten Herausforderungen stecken dabei, wie so oft, im Detail. „Was im Labor funktioniert, kann sich in Feldversuchen plötzlich viel komplizierter darstellen“ meint Herr Kegel. „Etwa das Projekt mit den Wiener Linien im Bereich Erschütterungssensorik. Dabei werden die Erschütterungen nicht klassisch über die Drehgestelle, sondern mittels einer App gemessen. In heutigen Smartphones sind ja Gyrosensoren eingebaut, die dafür herangezogen werden. Klingt logisch, ist jedoch nicht trivial. Hier brauchte es letztlich Top Mathematiker und Statistiker um die Daten auswerten zu können.“ Aber auch auf Seiten der Kunden passiert viel, als Beispiel seien hier Big Data Analysen zur Verbesserung der Kunden Churn Rate erwähnt.
Als Betreiber kritischer Infrastruktur gehen die Wiener Stadtwerke sehr bewusst mit dem Thema Sicherheit um, so auch in IoT- und Big Data-Projekten. Es wird genau analysiert, welche Risiken und mögliche Auswirkungen durch den Einsatz von IoT entstehen. Hier sieht Herr Kegel noch Handlungsbedarf seitens der Hersteller, die Devices und Sensoren sicherer zu machen. „Das Vertrauen unserer Kunden hinsichtlich Sicherheit, Qualität und Verfügbarkeit unserer Dienstleistungen, steht für uns an oberster Stelle“ betont Herr Kegel.
Ihm ist wichtig, neben dem Kundennutzen und möglichen Risiken, auch den Mehrwert für das Unternehmen zu evaluieren, bevor Ideen umgesetzt werden. Seine klare Empfehlung lautet: wenn es keinen Mehrwert bringt, soll man es lassen, auch wenn die Idee noch so toll erscheint. Wenn aber ein Nutzen für das Unternehmen gesehen wird bzw. man eine Chance wittert und in der Organisation entsprechendes Engagement vorhanden ist, sollen die Ideen in Form von Prototypen auf jeden Fall umgesetzt werden.
Der Ausklang
Eine abschließende Diskussion im Plenum rundete den offiziellen Teil des fünften Quality Leadership Circle ab. Der darauffolgende Networking Teil mit kulinarischer Untermalung bot den Teilnehmern noch ausgezeichnete Gelegenheit zum Erfahrungsaustauch und Vernetzen.
Wo stehen Sie in der Umsetzung von IoT Initiativen und wie bändigt Ihr Unternehmen die entstehenden Datenmassen um im digitalen Zeitalter zu überleben? Ich freue mich auf Ihre Meinungen und Erfahrungen!
Im Zuge der Vorbereitungen zum Quality Leadership Circle Vol. 5 sprach ich mit Dr. Rainer Kegel über die Trendthemen IoT und Big Data, über Potentiale und Risiken sowie Vorgehen und Zukunftsbilder. Hier geht’s zum Interview!
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